Ihr Kinderlein kommet…

… zu Porta her kommet.

Das mag so oder so ähnlich die Idee der Marketingagentur gewesen sein, als man sich die Aktion „Helm Auf“ für den Kunden Porta (Möbel) ausdachte. „Wir machen Marken erlebbar“, heißt es als Slogan auf der Startseite der Werber, die für Porta Grundschüler ins Visier genommen haben. Herausgekommen ist eine Aktion, die für mich mehr als deutlich aufzeigt, was man unter Schulmarketing zu verstehen hat.

Die Zutaten sind dabei recht einfach:

  • Ein Unternehmen, das sich engagiert – und mutmaßlich en passant sein Image („soziales Gewissen“) aufbessern und  auch ein paar Kunden generieren möchte.
  • Ein Thema, das unverfänglich daher kommt.
  • Ein „Türöffner“ – am besten in Form einer ansonsten angesehenen, unverdächtigen Stiftung.

Vermutlich in der Umgebung ihrer Möbelhäuser ist Porta mit diesem Rezept in diverse Grundschulen gegangen. In wie viele und in welche will weder die Presse- und Öffentlichkeitsabteilung des Veranstalters noch die Marketingagentur trotz mehrfacher Nachfrage und Bitte um Transparenz verraten. In den teilnehmenden Grundschulen übernimmt man für kurze Zeit den Unterricht zum Thema Verkehrssicherheit. Dabei sitzen die Schüler vor großen Bannern, wie man sie von Messeständen kennt, auf denen das Logo von Porta gleich mehrfach, auffällig groß und blickfangend platziert ist. Entsprechende Bilder aus Grundschulen zeigen dieses bereits bedenkliche Setting eindrucksvoll.

Doch Porta geht noch einen Schritt weiter: Den Grundschülern wird während ihrer Schulzeit (in der Sache richtig) erklärt, dass das Tragen von Fahrradhelmen sehr wichtig ist und Leben retten kann. Und wie es die Marketingstrategie so will, hat man auch direkt einen solchen dabei. Und nicht nur das…

Einen solchen Helm bekommt jede/r SchülerIn geschenkt. Allerdings nicht direkt im Rahmen der schulischen Aktion. Um den Helm zu erhalten und – so die „Begründung“ für das Vorgehen seitens der beteiligten Stiftung (siehe unten) – passend eingestellt zu bekommen, müssen die SchülerInnen am nächsten Samstag zur Porta-Filiale kommen (tatsächlich sind sämtliche Aktionstage seitens Porta auf Samstage gelegt). Was nach einer solchen Ankündigung passiert, kann sich jeder ohne viel Fantasie vorstellen. Die Kinder gehen begeistert ob dieser Geschenkaussicht nach Hause, erzählen ihren Eltern von der Großzügigkeit von Porta und quengeln im Zweifelsfall so lange, bis jemand mit ihnen den Helm abholen fährt.

Das Kind wird mutmaßlich zum Lockvogel und Kundenzubringer, den man vor Ort natürlich beschenkt aber auch zugleich mit einem Fuß (oder auch beiden) in der Filiale hat.

Doch auch dies scheint für Porta noch nicht auszureichen. Zusätzlich druckt man auf die Helme für die Kinder direkt das Porta-Logo. So wirkt die Botschaft auch noch weit über die unmittelbare Aktion hinaus. Und da man den Kindern erzählt hat, wie bedeutsam das Tragen des Helms ist, fahren dann über Monate 10.000 Werbehelme (so viele hat man nach eigener Auskunft seitens Porta verteilen können) in der Umgebung der Möbelhäuser und der Schulen herum. Und auch auf dem stets bei sich zu tragenden Notfallpass (eine grundsätzlich gute Idee) prangt bemerkenswert großformatig das Logo des Möbelhauses. Und wer noch kein Fahrrad haben sollte, findet auf der Projektseite von Porta direkt einen exklusiv platzierten Link zum Fahrrdhändler S’Cool.

Als „Türöffner“ dient bei der Aktion die ZNS Hannelore-Kohl-Stiftung als auch die ehemalige Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder (diese war leider für mich bisher hierzu nicht erreichbar). Diese geben der Aktion einen offizielleren Anstrich als auch den entsprechenden Hauch des „sozialen Engagements“. Tatsächlich widmet sich die Stiftung eindrucksvoll der Problematik von Kopf- und Gehirnverletzungen. Im Gespräch mit der für das Projekt zuständigen Person hat sich mein Eindruck zusätzlich verstärkt, dass die Stiftung hier als eine Art Feigenblatt verwendet wurde. Die Rolle der ehemaligen Ministerin konnte bisher nicht zufriedenstellend in Erfahrung gebracht werden. Es ist aber ein nicht unbekanntes Muster, sich für solche Aktionen prominente Persönlichkeiten zu suchen. Dies „erleichtert“ so manchem Schulleiter die Entscheidung, falls doch ein kritischer Blick gewagt werden sollte. Denn offenbar hat sich jemand anderes damit beschäftig und es für gut befunden.

In meinen Augen ist bei der Aktion „Helm auf“ das Maß dessen, was man in Schulen vertreten könnte, deutlich überschritten. Gleich an mehreren Stellen sehe ich „rote Linien“ mißachtet. Mit Blick auf den Beutelsbacher Konsens würde ich hier von einem nahezu beispielhaften Verstoß gegen das Überwältigungsverbot sprechen. Stünde tatsächlich ausschließlich die begrüßenswerte Sensibilisierung für Kopf- und Hinverletzungen durch Verkehrsunfälle im Vordergrund und würde man diesem mit einem uneigennützigen, sozialen Engagement begegnen wollen, hätte man ohne Schwierigkeiten auf die sicher auch zusätzliche Kosten verursachende Aufbringung jeder Form von bewerbenden Logos verzichten können. Dass man dann im Rahmen des eigenen Marketings auf dieses Engagement hinweist, bliebe Porta ja unbenommen – aber eben gegenüber Erwachsenen und nicht Kindern und sogar im schützenswerten Lernraum Schule.

Bezeichnend ist dann wohl auch die Antwort auf meine Frage: „Aus welchem Grund oder mit welcher Absicht hat sich Porta dazu entschieden, das eigene Logo bzw. Firmennamen auf den Helme dauerhaft anzubringen? Gab es hierzu die Überlegung, auf die Anbringung zu verzichten und warum wurde dies verworfen?“ – Nämlich (neben allgemeinen Erklärungen zur Aktion) konkret keine.

In diesem Sinne bleibt der Eindruck:

Ihr Kinderlein kommet, o kommet doch all‘!
Zu Porta her kommet in unsern Filialstall.
Und seht, was mit dieser Schulmarketingpracht
die Agentur von Porta für Freude Euch macht.

2 Kommentare

  1. Ich empfinde das als sehr gruseliges Szenario. Und es ist echt. Ein Grund mehr sich als Elternbeirat zu engagieren und zu versuchen sowas zu unterdrücken. Schlimm finde ich auch diese Sponsoring Geschichten die schon in der Krippe anfangen. Danke für Ihren Artikel.

    1. Vielen Dank für die Rückmeldung. Tatsächlich sind die Elternbeiräte beim Thema „Werbung in Schule“ in einer wichtigen Position. Die Erfahrung zeigt, dass kritische Nachfragen aus dieser Richtung größeres Gewicht haben als diejenigen von LehrerInnen. Ich stehe Ihnen für Austausch/Beratung gerne zur Verfügung.

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